Der Dudelsackspieler
Der Dudelsackspieler

Der Dudelsackspieler

Tief aus meinen Schubladen hervorgekramt. Nicht mehr als eine kleine Schreibübung, eine Beobachtung aber dennoch Wert, mit Euch geteilt zu werden.


Mitten in den lebendigen Straßen von Paderborn, da wo der Geruch von frischem Kaffee und gebackenen Brezeln sich vermischt, steht ein Dudelsackspieler, dem die Jugend bemerkenswert frisch ins Gesicht geschrieben ist. Seine Haare sind so rot wie die Farben des Sonnenuntergangs, der sich abends in den Wellen der Pader spiegelt.

Er hat seinen Platz des Schaffens sorgfältig gewählt, direkt neben der Statue des heiligen Liborius, Paderborns Schutzpatron. Dort, zwischen heiliger Ruhe und städtischem Trubel, entlockt er seinem Dudelsack die wildesten Weisen und weckt mühelos die sagenumwobensten Klanggeister. Er spielt eine Melodie, so mitreißend, dass selbst die Tauben im Rhythmus mit den Köpfen nicken.

«Oh, guckt euch diesen Kerl an!», kichert ein Mädchen mit strahlend buntem Regenschirm, während sie im Vorbeigehen einen Blick auf ihn wirft. Ihre Freundin, die kaum von ihrem Smartphone aufschauen kann, brummt nur ein desinteressiertes «Mhm», bevor ein einzelner Ton des Dudelsacks sich in ihr Ohr schleicht. Ihre Finger stoppen ihren Tanz über den Bildschirm. Ein Lächeln zündet in ihrem Gesicht. Das Smartphone verschwindet in der Jackentasche.

«Wow, er kann wirklich gut spielen!», staunt ein älterer Herr mit Hut, der sich an den Klängen zu laben scheint, als wären es Schlucke alten schottischen Whiskeys.

Der Dudelsackspieler, tief in seiner Musik versunken, bemerkt kaum die Menschen, die sich um ihn scharen. Den Jungen, der fasziniert zusieht, als wären seine Fingerspitzen mit Zauber belegt, oder das Pärchen, das schmunzelnd ein Stück näherkommt, als wäre die Musik der perfekte Soundtrack für ihre junge Liebe.

Eine Melodie für die Verliebten, ein Rhythmus für die Hatz nach verpasster Zeit, ein Chorus des Lebens: Scotland the Brave, während seine Füße im Takt wippen und seine Locken im Wind tanzen.

Plötzlich und wie aus heiterem Himmel, vielleicht aber auch herbeigerufen von den magischen Melodien, beginnt es zu regnen. Die Passanten huschen unter Dächer und überdachte Einkaufspassagen, nur das kichernde Mädchen mit dem Regenschirm dreht sich noch einmal um und wirft ihm einen zwinkernden Blick zu.

Doch statt aufzuhören, spielt er einfach weiter. Er spielt, als würde der Regen eine weitere Begleitstimme hinzufügen. Schnell, drängend, ein donnerndes Crescendo nach dem anderen. Die Menschen bleiben stehen, ihre Verärgerung über das abrupte Ende ihrer trockenen Reise wie weggewischt, und der Dudelsackspieler spielt, als gäbe es kein Morgen.

Ein Junge mit einem Dudelsack und einer gigantischen Portion an Leichtigkeit im Gepäck, der für einen verregneten Nachmittag das Herz einer Stadt gewann. Ich lege meinen Stift und Block zur Seite, beende mein Beobachten und genieße den Moment.

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